19.07.19 Freemansund (Tag 6)

Day 6: 19th July 2019
Sundneset and Kapp Lee
GPS position at 0800: 78°10’.3 N, 020°58’.7 E
Wind: SW4 Sea State: slight Weather: Partly cloudy
Air Temp: 6°C Sea Temp: 4°C

Kap Lee ist eigentlich der Felsklotz an der Nordwestecke der Insel Edgeoya, Dolerittneset ist der richtige Name der flachen Bucht, wo wir hin wollen. Aber der Einfachheit halber wird der Platz Kap Lee genannt. 
Eine flache Bucht ist auf Spitzbergen selten.
Plan: 7:00 Uhr ankommen, 7:30 Frühstück, 9 Uhr Medium hike, 12:30 essen,
14:30 Medium hike, Sundneset, liegt praktisch gegenüber.
Reste einer Pomoren-Jagdstation aus dem 18. Jh., also eine Hütte, man findet rote Ziegel mit denen sie ihre Öfen gebaut haben. Die Form ist achteckig, das war damals typisch, 2009 renoviert. Daneben sind zwei Hütten aus den 70ern für Freizeit. Und davor liegen immer Walrosse. Dahinter ist ein berüchtigtes Gebiet mit Fließerde, Matsch, wo man einsinkt.
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Nach mehreren Uhr-blicken in der Nacht  muss ich um halb 7 dann mal spicken, ob sich das Aufstehen lohnt… Es lohnt sich.
Schönes Wetter, 5 Grad sagt er, die Reiseleiter lassen um 7 Uhr schon die Zodiacs runter. Vor dem Fenster ein Eisberg, man hat Aussicht bis nach gegenüber auf die Hauptinsel, so klar ist es.
                                                         Kap Lee:
                      Die Hütten und beim Pfeil die Walrosse: (man muss genau gucken)

Wir stehen schon früh unten vor der Tür beim Frühstück (also drei Minuten vorher), mit vielen Chinesen; Axel hat Hunger, weil er gestern Abend ausfallen lassen musste; es kommt die Durchsage, dass die Zodiacs bei Kap Lee nicht anlanden können, es ist zu viel Eis davor reingedrückt. Und das Frühstück verschiebt sich um ein paar Minuten. Axel ist hungrig und deshalb Kopfschmerz-gefährdet und wir bleiben stehen, was sollen wir jetzt noch woanders. Zwei Reiseleiter machen sich lustig über die Chinesen, die schon anstehen. Wir fühlen uns nicht gemeint mit dem Hintergrund.
Bei Frühstück gibt’s leckere Zimtrollen wie in Skandinavien, mmmmh. Eine Chinesin setzt sich zu uns, ist aber aus Virginia, Alleinreisende und war schon in Churchill, Eisbären gucken, die aufs Packeis warten. Wenn das dann nicht mehr kommt,…. ! Entweder werden sie zu Landratten oder verhungern.
Inzwischen haben sie beschlossen, dass wir nach gegenüber fahren und das Nachmittagsprogramm heute Vormittag nehmen. Und heute Mittag mal gucken, das Eis schwimmt schnell.
Ansage, dass die Ausflüge auf 9:15, Medium 9:45 und Short 10 Uhr gelegt sind.
9:05 rufen sie die long hikers. Dann rechnen wir mal mit halb 10, sie sind ja bisher immer früher. Da waren wir auch ungefähr fertig unten, aber diesmal brauchten sie tatsächlich bis Viertel vor. Gespräche, Fotos von Babys ausgetauscht, ein Engländer der froh ist, der Politik entronnen zu sein, dann waren wir bei den ersten.


Das Sicherheitsmaterial (wir haben gefragt, wozu: falls man unerwartet einen verlängerten Landurlaub bekommt, sie hatte eine nette Formulierung dafür)
Es wurden erst alle rübergebracht, dann versucht, in zwei Gruppen aufzuteilen. Eine etwas schnellere und eine etwas langsamere. Natürlich wollten alle in die faster group. Dann formulierten sie um in eine für mehr Fotos und eine für mehr walk. Das funktionierte besser, da war plötzlich die Fotogruppe größer. Wir gingen schon mal los, aber dann kamen noch ein paar Chinesen hinterher gerannt, die auch fit sind. Rundgang, rechts den Hügel hoch, ein See, zwei Rentiere mit schönen Geweihen oben am Berg, nicht weit weg von uns. Sofort war es ruhig in der Gruppe, jeder genoss die Aussicht, egal wohin.

                                           Stört uns nicht beim Frühstück!!!

Blick nach drüben, tolle Aussicht auf die Hauptinsel, total klare kühle Luft. Auf dem Berg sehen wir die Gruppe vom long hike grade oben ankommen. 
                                        Da sieht man die Männlein hochkrabbeln

            Unten sieht man Frostmusterböden, sogar eckig, die sehen aus wie künstlich angelegt.
                                   Blick zur Hauptinsel





 Wir gehen um den Berg rum, runter, durch nur wenig Matsch, nur eine Frau war nicht schnell genug und blieb mit einem Fuß stecken. Bei den Matschböden muss man schnell rennen, praktisch oben drüber fliegen. Wenn man wartet, sinkt man ein. Weiter mit Aussicht auf Enten mit rotem Hals, es sind nur zwei, sie sind was Besonderes und heißen Sterntaucher oder Red Throated Diver. 

Dann Aussicht aufs Schiff mit Eis drumherum, was schnell wieder wegschwamm, Walknochen, 500 Jahre alt, sie liegen so weit oben, weil damals noch viel Eis auf dem Land war, das lag tiefer, der Wal war am Strand. Das Eis schmolz, das Land hob sich wie ein Schwamm, deshalb sind die Knochen jetzt da oben.



Um die Ecke, und da waren wir bei der Würzburger Hütte, was die englischen natürlich nicht aussprechen können. Shelli kennt sich prima mit Bären, Walen und anderen Tieren aus, aber über die Hütte wusste sie nur german hut, mehr nicht. Sie hörte ziemlich genau zu, als ich der Chinesin erklärte, was es ist, und hat hinterher ihrer Kollegin mitgeteilt, dass die Paxe mehr wissen als das Team. Tja, man könnte es nachlesen, wenn man an so eine Stelle kommt und eine Führung macht. Würzburger Hütte: 1959-67 Expedition von Würzburger Geographie-Prof. Julius Büdel, Naturwissenschaftliche Untersuchungen. Über Landhebung, Frostmusterböden, Solifluktion, Verwitterung und Abtragung unter Permafrostbedingungen. Seine Ergebnisse und Theorien waren wohl umstritten.
Sowas gibts hier leider auch.





Dann lernen wir einen geologischen Ausdruck: Wollsackverwitterung. Das ist, wenn Felsen so aussehen; die sind nicht aufeinandergestapelt worden. Sieht interessant aus.

Ich musste in eins der ersten Boote wegen Klo, die Chinesin neben mir wohl auch. Very smooth landing kann man sagen, Wasser war jetzt glatt neben dem Schiff.
Mittagessen mit Allan und Dorothy, Amerikaner, die sich auf der ganzen Welt rumtreiben.

Dann kommt ein großes Eisfeld neben das Schiff, bzw. wir fahren rein. Mein Nachtisch ist schnell leer, das war vermutl. die Sahne von gestern versetzt mit Kokosstücken (ein bisschen Joghurt oder Frischkäse da rein hätte bestimmt auch gut geschmeckt). Um 2 steht noch nicht fest, was passiert. 

Hinten Fotos machen, dann Tee holen, da gibts noch ein paar schöne Kekse, Axel macht Schläfchen, ich hab eine spannende Zeit auf der Brücke. Das Expeditionsteam ist grad fertig mit Beratung, wir werden per Zodiacs spazieren gefahren, kein Landgang mehr, um 14:45 gelb und grün. Wir erst um 15:45, d.h. wir haben ewig lang Zeit.
Wenn das Schiff durch Eisberge fährt, rumpelt es und rüttelt, so stelle ich mir Erdbeben von, nur hier ist der Grund schöner.
Langsam fährt er rein, alles ist auf Brücke, was etwas zu sagen hat. Die Wassertiefe wird immer weniger. Es war dauernd bei 14-15m, dann runter auf 9,90, dann 8,90, Zum Schluss bei 6,90. Das war schon eng. Und dann drehten sie das Schiff mit dem Hinterteil weg, vorne Richtung Berg, und plötzlich stand da wieder was von 70. So tief kann es doch gar nicht runtergehen.
                          Man sieht ein paar Walrosse vor der rechten Hütte liegen.




Ein Officer gibt ok für Adam, die Boote runterzulassen. Da können wir noch kurz zugucken, dann werden wir raus gebeten.
Pünktlich 14:45 werden die beiden Gruppen aufgerufen. Wir sehen sie wegfahren. Und jetzt aber endlich den Tee trinken 😊.
                                               Walross auf dem Eis
                             Zodiacs vor den Walrossen
Erste Gruppe ist mit 8 Booten weg. Aufruf für die anderen zu einem kurzen Vortrag über Walrosse von der Südamerikanerin.
Walrosse sind eine eigene Spezies. Sie brauchen Seeeis, auf dem Land sind sie nicht glücklich. Das kann man verstehen, wenn man sieht, wie schwer es ist, ihre Masse zu bewegen.

Fertigmachen, die Boote sind aber noch drüben und einige fahren jetzt erst Richtung Walrosse. Wir sind in der Zwischenzeit nicht geparkt, sondern herumgefahren und jetzt wieder auf dem Weg nach vorne. Einmümmeln hat offensichtlich noch Zeit. Es wird nebliger. Wir schwanken wieder durch die Eisschollen. Große!
5 Minuten später ist der Nebel an der Seite schon tief gekrochen, Hälfte vom Berg. Hm, ob das gut ausgeht? Wir werden aufgerufen, wir sollen uns fertigmachen und zum vorderen Zodiacausgang gehen. Wir gehen runter. Und warten. Es ist warm. Flur steht ziemlich voll mit eingemummelten Menschen. Chinesen vorne. Dann heißt es, wir sollen doch rüber gehen, auch am anderen Eingang anstellen. Chinesen drängeln. Es ist warm. Wir sollen auf die Seite gehen, denn die ersten kommen rein. Chinesen drängeln sich noch ein bisschen zusammen. Wir überlegen, ob wir ein Boot ohne Chinesen erwischen. Keine Sicht nach draußen. Warm. Gelegentlich kommt mal ein Hauch Luft von draußen. Immer mehr kommen rein. Keiner wird rausgelassen. Es ist warm. Nach geschlagenen 20 Minuten sagt Adam durch, dass die zweite Tour wegen dem Eis und dem Nebel gecancelt werden muss. Die Chinesen verstehen es nicht. Von hinten her rollt es sich auf, alle gehen enttäuscht. Chinesen stehen auf der Treppe und verstehen es immer noch nicht. Beim nächsten Fenster nach draußen sehen wir dichten Nebel. Man sieht grade die nächste Eisscholle. Ich habe den Nebel runterkommen sehen, wieso konnten sie es nicht ein bisschen früher ansagen? Sie haben es gesehen, wir unten nicht. 

Die erste Gruppe hat jetzt Ihre Walross Info. Am Wetter kann man nix machen. Was werden sie dazu sagen? Wahrscheinlich genau das.
Man könnte jetzt ein Buch lesen - wenn man Lust hätte.
Axel gönnt sich erst mal ein Bloody Mary.  Ok, dann nehme ich auch mal einen Cocktail. Die Pfälzer sehen ziemlich enttäuscht aus. K. und J. auch. Wir jetzt nicht so, wir hatten schon mal welche in 2008. Das ist ein Foto von damals im Magdalenenfjord:

Allan erzählt, dass man den Berg aus vielen zusammmen liegenden Walrossen gar nicht identifizieren konnte, und es war kalt. Das einzigste, was wir verpasst haben, waren zwei schwimmende Walrosse, die Richtung Strand unterwegs waren.
Ich habe dann die spannende Geschichte von Frau aus dem Ruhrpott (mit ihrem schönen Pott-Akzent) erzählt bekommen, wie sie im März 16 mit dem Auto im Baikalsee eingebrochen sind. Ziemlich interessant.

Auf Deck 5 sind Bänke und Tische aufgebaut, ein Arctic Dinner gibts heute. Essen wir heute draußen? Mal sehen, zuerst ist um halb 7 wieder das Briefing. 10 nach 6, die Sonne kommt vorsichtig stellenweise durch. Brücke ist leider gesperrt. Wir sind bisher (beobachtet per GPS) ein bisschen hin und her gefahren, nach Süden und wieder rauf, sehr langsam, und sind jetzt wieder gegenüber der Bucht, wo wir heute Morgen gewandert sind, aber näher an rechts. Sitzen wir dann beim Freeman Gletscher grade wieder beim Essen? Wäre doof.
Große Eisschollen um uns herum.
Es gibt genaue Erklärungen mit Zeitplan, was wann für Entscheidungen getroffen wurden.
 Erst um 15:55 wurde der Abbruch beschlossen. Der Kapitän stand dabei, aber niemand hatte mehr Fragen. Sie haben heute Morgen schon vorausschauend für den 22.7. Poolepynten gebucht, was gestern nicht ging, es war ja schon ein Schiff da. Dort sind auch zu 99% Walrosse da. Jetzt können die Enttäuschten noch hoffen. Sehen konnte man sie ja von weitem. Es ist im Freemansund sonnig, mitten drin.
Kurze Info über Rentiere von Sarah. Info von Simon, dass wir hinterher alles per E-Mail geschickt kriegen, wenn wir uns im rechten PC in eine Excelliste eintragen (Datenschutz?). Info von Michael, dass es draußen ein Barbecue gibt. Trockener Kommentar vom älteren Schweizer: Morgen hat der Doktor viel zu tun!  Sie werfen jetzt den Grill an. Wir haben im Sund umgedreht, mit Blick auf den Gletscher, Nebelwand ist westlich. Hoffentlich bleibt sie da.
Sie blieb nicht, irgendwann war sie weg und es war freie Sicht in diese Richtung. Wir stehen zum Essen fest auf einer Stelle und in eine Richtung, die nicht kalten Plätze sind natürlich besetzt, wir landen im Wind auf der anderen Seite, aber nicht lange….

                                        Blick nach Osten zum Freeman-Gletscher

Von vorne: es gibt Glühwein, Wein, Dosenbier, alkoholfreie Getränke, und zwar draußen umsonst. Sie haben auch den Eymann Demeter Wein aus der Pfalz heute mal einzeln, den es sonst immer nur als Flasche gibt. Schmeckt wie unser letzter Hochzeitswein. Irgendwann, nachdem die Party mit tanzen schon lange im Gange ist, rollen wir langsam wieder nach Westen, zum Eingang des Fjords. Falls uns heute Abend jemand auf MT beobachtet: das Schiff scheint auch besoffen.

Essen: Salat, der wegfliegt, jedenfalls der grüne dünne, Hähnchenbeine, Rindfleisch, was Fettiges, Maiskolben, Kartoffeln. Später Nachtisch. K. hat sich was bei den Chinesen abgeguckt, ist ja lernfähig, und ist als erste beim Kuchen. Wir sitzen inzwischen auf einer Bank strategisch sehr günstig, nicht weit von den Getränken, und haben alles im Blick. Daher werde ich natürlich zum Tanzen animiert. Axel mit seinem Glühwein und mindestens zwei Bier zu der Zeit hat auch Spaß daran. Leider haben wir die letzte und einzige Salsa-Kombi vergessen, könnte man hier anwenden. Es geht in der Situation eher um hüpfen im Takt und sich warmhalten. Selbst der Bademantel-Inder, heute wieder im Jackett, macht mal den Star auf der Tanzfläche. Die Flipflops-Inderin hat sogar ein paar Sportschuhe an. Die Crew ist komplett dabei, wer nicht grillt und Schiff am Platz hält, feiert. Wir sehen eine toll tanzen, die uns noch nie begegnet ist; auf dem Aushang auf Deck 5 finden wir sie dann, sie ist in der Wäscherei. Das ist eine nette Geste gegenüber dem Personal, Wertschätzung.
Eine Wolke durchgehend, rechts ansteigend, die Mitte klärt sich, aber die tolle Wolke bleibt ganz lange.

Als sie YMCA spielen, meint K.: jetzt kommt als nächstes bestimmt Macarena. Und was kam als nächstes? Man braucht nur einmal raten. Irgendwann gehen wir auch mal wieder rein. Axel besorgt die letzten Reste von der Bar draußen, dann sind wir aber ziemlich müde…. 😉

Das Eis zieht schnell. Die Bucht vor den Walrossen inzwischen voll. Im Sund ist weniger,  22:30.
Urlaubsvorkommnis, das nur in diesen Breitengraden passiert: K.und J. meinten heute Nacht beide, dass der Wecker geklingelt hätte, haben sich fertig gemacht für Frühstück und dann festgestellt, dass alle Uhren 3:45 anzeigen. Sowas passiert bei Mitternachtssonne. (hab gefragt, ich darf es schreiben)
Es ist fast 11, wir stehen wieder nach Osten, es ist schönes Licht und ich habe keine Lust zu schlafen, aber nach den 2,5 Gläsern Eymann ist es jetzt langsam nötig.
Morgen ist Eistag.

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